Lorazepam - wie gefährlich ist das Medikament aus der Hit-Serie "The White Lotus"?

7. April 2025

Moira Hammes

  • Psychische Gesundheit
  • Health
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Lorazepam - wie gefährlich ist das Medikament aus der Hit-Serie "The White Lotus"?

Dr. Richard Musil, Psychiater und Ärztlicher Direktor der Oberberg Fachklinik Bad Tölz, erklärt, warum das Benzodiazepin Lorazepam, das in Staffel 3 von "The White Lotus" für Gesprächsstoff sorgt, keine Lifestyle-Arznei ist und welche Gefahren bei unsachgemäßer Einnahme drohen

Spätestens seit der dritten Staffel der Kultserie "The White Lotus" erhält das Medikament Lorazepam, ein Wirkstoff aus der Gruppe der Benzodiazepine, verstärkt öffentliche Aufmerksamkeit. Die Serie porträtiert die wohlhabende Familienmutter Victoria Ratliff, die das Beruhigungsmittel während ihres Aufenthalts in einem luxuriösen Fünf-Sterne-Resort in Thailand scheinbar bedenkenlos einnimmt.

Was zunächst als Hilfe gegen Jetlag erscheint, entwickelt sich im Verlauf der Staffel zu einem besorgniserregenden Konsumverhalten. Victoria greift regelmäßig zu den Tabletten und wirkt zunehmend benebelt. Als ihr Ehemann ebenfalls unter Schlafproblemen zu leiden scheint, bietet sie ihm ihre Medikamente an und versichert: “They’re not addictive. I just take them when I need it. […] Not a big deal.” „Sie machen nicht abhängig. Ich nehme sie einfach, wenn ich sie brauche. Kein großes Ding.“

Doch schon nach der ersten Einnahme zeigt auch er Anzeichen einer Abhängigkeit. Diese Darstellung wirft wichtige Fragen auf: Wie wirkt Lorazepam tatsächlich, und welche Risiken birgt die Einnahme?

Was ist Lorazepam?

Dr. Richard Musil, Psychiater und Ärztlicher Direktor der Oberberg Fachklinik Bad Tölz, hat das Medikament und seine Wirkweise für uns eingeordnet. "Lorazepam ist ein Benzodiazepin mit rasch einsetzender und zuverlässiger angstlösender Wirkung. Das Medikament wirkt dabei auf die GABA-Rezeptoren im zentralen Nervensystem, was den hemmende Effekt des Neurotransmitters verstärkt. Es wird in der Regel eingesetzt, um in akuten Situationen schnelle Entlastung zu schaffen.

In welchen Fällen verschreiben Sie Lorazepam?

Lorazepam setze ich bei Patienten mit schweren depressiven Episoden, die von Unruhe, starken Sorgen oder Ängsten begleitet werden, ein. Ähnliches gilt für Patienten mit schizophrenen Psychosen oder bipolaren Störungen. In solchen Fällen erfolgt die Gabe von Lorazepam meist parallel zur Einleitung einer Behandlung mit Antidepressiva oder Antipsychotika, da deren Wirkung oft erst nach Tagen oder Wochen einsetzt. Lorazepam überbrückt diesen Zeitraum und sorgt für kurzfristige Stabilisierung.


Zwei Gestalten sitzen Rücken an Rücken auf Stühlen

Lorazepam wird unter anderem bei bipolaren Störungen verschrieben

Wann empfehlen Sie alternative Behandlungsmethoden?

Lorazepam sollte selten als alleinige Therapie eingesetzt werden, es sei denn, es handelt sich um einen vorübergehenden psychischen Ausnahmezustand ohne schwerwiegende psychiatrische Erkrankung. In den meisten Fällen wird eine alternative Therapie – mit Antidepressiva oder Antipsychotika – parallel begonnen. Bei Panikattacken oder Angstzuständen im Rahmen von Persönlichkeitsstörungen empfehle ich eher andere Präparate oder gänzlich nicht-medikamentöse Behandlungsansätze wie Psychotherapie.

Lorazepam und die Nebenwirkungen

Welche Nebenwirkungen von Lorazepam bereiten Ihnen als Behandler die größten Sorgen?

Die Einnahme führt zu Müdigkeit, was bei akuter Unruhe jedoch zu verkraften sein kann. Problematisch wird es allerdings, wenn Lorazepam zusammen mit anderen sedierenden Substanzen wie bestimmten Antipsychotika verabreicht wird. Bei Unruhezuständen im Zusammenhang mit Alkohol- oder Drogenkonsum sollte Lorazepam ebenfalls nicht eingesetzt werden, da es die Atmung beeinträchtigen könnte.

Lorazepam ist in der Regel gut verträglich, birgt jedoch ein erhebliches Abhängigkeitspotenzial. Bereits bei einer Gabe über mehrere Tage muss das Medikament stets schrittweise abgesetzt werden. Bei Patienten mit Suchterkrankungen in der Vorgeschichte sollte Lorazepam daher vermieden werden.

Wie beurteilen Sie eine unbeobachtete Einnahme von Benzodiazepinen wie Lorazepam?

Lorazepam sollte aufgrund seines raschen Wirkungseintritts und hohen Abhängigkeitspotenzials niemals unreflektiert oder ohne ärztliche Begleitung eingenommen werden.

In meiner Praxis verschreibe ich Lorazepam nur aus triftigen medizinischen Gründen. Lorazepam hat ein hohes Missbrauchspotential, ist allerdings als Lifestyle-Medikament gänzlich ungeeignet – Wer bereits einen Lorazepam-Entzug durchgemacht hat, weiß um die Risiken.


Hand un menschliche Silhouette in grauem Nebel

Lorazepam hat ein hohes Missbrauchspotential, so Dr. Richard Musil

Lorazepam - macht es abhängig?

Wie gehen Sie mit dem Suchtpotenzial von Lorazepam um, insbesondere bei Patienten mit Angststörungen?

Bei Angststörungen sollte Lorazepam möglichst vermieden werden. Zwar wirkt es kurzfristig gegen Angstattacken, langfristig behindert es jedoch den psychotherapeutischen Prozess, da es die Lernfähigkeit einschränkt. Primär sollten solche Störungen psychotherapeutisch behandelt werden – medikamentös können Antidepressiva mit serotonerger Wirkung unterstützend eingesetzt werden.

Welche Auswirkungen kann eine längerfristige Einnahme von Lorazepam auf die kognitive Leistungsfähigkeit haben?

Eine langfristige Einnahme kann die kognitive Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigen. Konzentrations- und Aufmerksamkeitsprobleme sind typische Folgen. Daher sollte Lorazepam nur in Ausnahmefällen langfristig angewendet werden – etwa wenn keine anderen Medikamente denselben beruhigenden Effekt erzielen können. Insbesondere bei älteren Patienten ist Vorsicht geboten, da das Absetzen des Medikaments oft schwierig ist.


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